Das Geheimnis der Geburt ist ein gutes Bild für die Mission. Wie bei Christus: Der Vater hat seinen geliebten Sohn gesandt, indem er ihn durch das Wirken des Heiligen Geistes von Maria geboren werden ließ. Es konnte nicht anders sein. Der Vater, der den Sohn von Ewigkeit her gezeugt hat und zeugt, kann ihn uns nicht anders schenken als durch seine Geburt aus der Jungfrau Maria. „Gesandt sein“ bedeutet für den Sohn, in der Zeit geboren zu werden, wie wir alle, und seine ewige Zeugung in der Zeit zu leben. Die Sendung Christi besteht also darin, durch Maria und mit Maria seine ewige Sohnschaft in der Geschichte zu leben.
„Missionar sein“ bedeutet, an der Sendung Christi teilzuhaben. So bedeutet auch für uns, zur Mission berufen zu sein, geboren zu werden. Oder genauer: wiedergeboren zu werden. Als Missionar zu leben bedeutet, dort, wohin man gesandt ist, wiedergeboren zu werden und die unaussprechliche Gnade der Gotteskindschaft mit den Menschen zu leben, mit denen Christus uns zusammenführt. Wiedergeboren zu sein bedeutet, mit ihnen eins zu werden, ohne den Reichtum zu verlieren, den man bereits in sich trägt.
„Wiedergeboren werden“ bedeutet nicht nur, in einem anderen Land zu leben (oder vielleicht sogar im eigenen Land, das dann nicht mehr das eigene ist), eine neue Sprache zu lernen, eine andere Art, mit der Welt, den Menschen, den Dingen und Gott umzugehen. Es bedeutet nicht nur zu arbeiten. Es bedeutet, sich in jedem Augenblick lieben zu lassen, dort, wo Christus uns hinstellt, und zuzulassen, dass seine Liebe dem, was uns zu leben gegeben ist, Gestalt gibt, Einheit, Licht und Orientierung, zur Ehre des Vaters.
Wer wiedergeboren wird, gibt nicht nur das Leben weiter, das ihn ausmacht. Er empfängt vor allem etwas. Jesus hat von Maria unsere menschliche Natur empfangen, Leib, Seele und Geist. Er hat Maria und Josef empfangen, die durch die Gnade seine Eltern geworden sind. Dann die Apostel, die ferneren und die näheren. Er hat alle angenommen, die ihn verleugnet haben, und hat sie durch seine großzügige Vergebung mit sich vereint. Mehr noch: Er nahm sogar seinen durchbohrten und verherrlichten Leib mit in den Himmel. Und selbst das war ihm nicht genug. Er hat uns seinen Geist gesandt, den Geist seines Vaters, damit wir Teil seines verherrlichten Leibes werden und so dazu beitragen können, dass sein Leben immer neue Früchte trägt, jetzt und in Ewigkeit.
Als Missionar zu leben bedeutet, dort, wohin man gesandt ist, wiedergeboren zu werden
Als ich über diese zweite Dimension nachdachte, wurde mir noch bewusster, welch großes Geschenk ich erhalten hatte. Vor 30 Jahren, im Juni 1994, wurde ich zusammen mit Michael Carvill und Vincent Nagle in die USA gesandt. Kurz vor meiner Abreise, an einem typischen Tag in Rom mit einem wunderbaren Licht, holte mich Don Massimo von der Gregoriana ab. Wir gingen zu Fuß zurück zum Seminar (das damals noch in der Nähe von Santa Maria Maggiore lag, nicht weit von der Universität). Ich wusste schon, wohin man mich schicken würde, und wir wollten vor meiner Abreise noch etwas Zeit miteinander verbringen. Als wir durch die Via Panisperna gingen, dachte ich an die Größe und Vielfalt des Landes, in das ich gehen sollte, und fragte Camisasca: „Wie kann ich Amerika kennen lernen?“ Nach einigem Schweigen antwortete er schlicht: „Durch die Amerikaner. Höre ihnen zu. Schließe Freundschaft mit ihnen“. Ich machte mir diese Antwort zu eigen und war sehr gespannt, was Gott geschehen lassen würde.
Er hat mir im Laufe der Jahre viele Freunde geschenkt, angefangen bei den Mitbrüdern in meinem Haus. Mit ihnen hatte und habe ich ein schönes Leben voller Entdeckungen, Freuden, Früchte und auch Kreuze. Ein Freund, der mir besonders am Herzen lag, war David L. Schindler. Mit ihm lebte und arbeitete ich mehr als 20 Jahre am Johannes Paul II. Institut in Washington D.C., bis er im November 2022 nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb. Er hat mir den Blick des Glaubens auf dieses Volk, auf seine Geschichte und seine Rolle in der Welt vermittelt. Er hat mich Amerika erleben lassen. „Etwas kennen (franz. connaître) bedeutet, zusammen geboren zu sein“, pflegte er zu sagen. Vom Kochen bis zur Kritik an der liberalen und technokratischen Anthropologie, vom Sport bis zu unseren Liedern und der Schönheit der Kontemplation sprachen wir über alles, immer. Wenige Dinge sind so befriedigend wie ein freies und offenes Gespräch unter Freunden, in dem man den Dingen auf den Grund geht. In dieser abstrakten und zersplitterten Welt, die so fasziniert ist von der Macht der Technik, in der Quantität mit Qualität verwechselt wird, in der das Machen das Erkennen verdrängt hat und in der Gewalt als Liebe ausgegeben wird, hat David uns immer wieder daran erinnert und uns geholfen zu verstehen, dass das Leben ein Geschenk ist und dass Gott in jedem Augenblick im Mittelpunkt steht. „Wir gehören nicht uns selbst“, sagte er oft. „Unsere Aufgabe am Institut – so sagte er mir immer wieder – sei es, die Studierenden zu radikalem Denken und radikalem Leben zu erziehen und zu versuchen, den Glauben aller zu stärken“.