Wie jedes Jahr wollten wir unseren Jugendlichen aus der Pfarrei San Rafael in Asunción für die Sommerferien etwas Sinnvolles vorschlagen. Sie sollten eine Erfahrung machen können, um nicht nur die Schönheit eines Ortes zu erleben, sondern auch die Konkretheit des Glaubens. So beschlossen wir, zum zweiten Mal nach Argentinien zu fahren und einen Pilgerweg zu gehen, den man hier den Camino de San Brochero nennt.
José Gabriel del Rosario Brochero war ein argentinischer Priester, der von 1840 bis 1914 lebte. Seit seiner Priesterweihe hatte er mithilfe der Geistlichen Exerzitien von Ignatius von Loyola sein geistliches Leben mehr und mehr vertieft. Sein missionarischer Eifer wurde entfacht durch die Begegnung mit den Gauchos in der Bergregion um Córdoba. Um diesen rauen Viehzüchtern, die über die Berge und die Pampa verstreut lebten, zu begegnen und ihnen Christus zu bezeugen, musste Brochero tagelang durch die Region ziehen. Da es damals kaum Straßen zwischen den entlegenen Dörfern und Gehöften gab, musste er selbst Wege anlegen. Es gelang ihm sogar, ein Aquädukt zu bauen, um ein kleines Dorf zu erreichen, das heute nicht zufällig „Villa Brochero“ heißt.
Der Glaube hat mit konkreten, praktischen Dingen zu tun, nicht nur mit abstrakten
Seine Überzeugung war: Wenn die Bewohner dieser Orte bessere Lebensbedingungen bekämen, wenn sie Essen hätten und Bildung, dann könne man ihnen auch den Glauben vermitteln. Brochero sprach eine einfache und volkstümliche Sprache. Er strahlte eine unvergleichliche Sympathie aus und war angetrieben von großem Eifer für das Seelenheil dieser Menschen, die oft unter unwürdigen Umständen lebten, manchmal fast wie ihre Tiere. Brocheros Leidenschaft für den Menschen, sein weiter intellektueller Horizont, seine Sehnsucht nach einem intensiven geistlichen Leben und seine Überzeugung, dass der Mensch, wenn man ihn allein lässt, sich „im Gebirge des Lebens“ verliert, haben Papst Franziskus 2016 dazu bewogen, diesen Priester heiligzusprechen.
Wenn man sich mit dem Leben von Heiligen beschäftigt, wie wir es auf unserem Weg getan haben, dann merkt man, wie konkret der Glaube ist. Denn er ist ein Leben, das von der Gegenwart Christi berührt und verändert wird. Und die Heiligen machen deutlich, dass man so leben kann. Das Leben in der Gegenwart Gottes, das aus Liebe vollbrachte Opfer sind greifbare Zeichen. Sie wirken erzieherisch. Das war die Stärke unserer Pilgerreise.
Wir sind 30 Kilometer gewandert, auf etwa 2000 Meter Höhe, angefangen vom Gipfel der Alturas de Córdoba bis nach Villa Brochero. Fast hundert Jugendliche hatten sich auf den Vorschlag von uns Priestern der Bruderschaft des Heiligen Karl eingelassen. Das zeigt, dass Ideale wie Kameradschaft, gemeinsames Lernen und Christus kennenzulernen auch heute noch aktuell sind.
Ein Mädchen sagte über die Opfer und Strapazen des Weges: „Ich habe noch nie etwas erlebt, bei dem ich so stark den Wunsch verspürte, das Kreuz meiner Freunde mitzutragen.“ Ein anderer meinte: „Ab jetzt will ich nie mehr für mich allein leben, ‚in meinem Gebirge‘ verschlossen. Ich möchte mich begleiten lassen und meine Scheu überwinden.“
Meiner Meinung nach darf es bei Freizeiten mit jungen Menschen nicht nur darum gehen, dass sie ihr Ich und ihre Bestimmung entdecken. Sie sollen auch konkret die wichtigen Aspekte des Lebens erkennen, wie den Wert des Opfers und den Wert der Gemeinschaft. Außerdem sollte deutlich werden, dass die Schritte des Glaubens mit konkreten, praktischen Dingen zu tun haben, und nicht nur mit abstrakten. Deshalb kann man auch das Leben eines Heiligen nur entdecken, erleben, was er erlebt hat, und die Mühen nachvollziehen, die er aus Liebe zu Christus und den Menschen auf sich genommen hat, in einer alltäglichen Freundschaft, die es einem auch möglich macht, die Mühen und Opfer anderer mitzutragen.