Wo Gott ist, da ist alles Musik

Die Schönheit der Musik und die Freude beim Tanz bewirken, dass sich unser Herz zu Gott erhebt. Ein Sonntag in Nairobi.

Ceresoli
Schwester Eleonora Ceresoli (Mitte) und Schwester Elena Rondelli (links) mit Frauen aus der Pfarrei St. Joseph in Kahawa Sukari (Nairobi, Kenia).

Am Sonntagmorgen werden wir in Kahawa Sukari durch das Krähen der Hähne in unserer Nachbarschaft und den Gesang der Vögel geweckt. In Afrika singen sogar die Vögel rhythmisch. Ihr Gesang bildet eine Hintergrundmelodie, zu der noch das Rascheln der Bananenblätter kommt, das man auch mit dem Rauschen des Wassers bei einem Regenguss verwechseln könnte. Aber der Klang ist viel sanfter. Die Schöpfung erwacht, und wir mit ihr. Der Hymnus, mit dem unser Morgengebet am Sonntag beginnt, lautet ja: „Im glänzenden Lichte des Morgens ertönet der Himmel in Klängen; die Erde bejubelt voll Freude den Herrn, der vom Tode erstanden.“ 

Um 7.30 Uhr beginnt die erste Sonntagsmesse in der Pfarrei St. Joseph, die den Priestern der Priesterbruderschaft des Heiligen Karl Borromäus anvertraut ist. Die Kirche ist nur wenige Meter von unserem Haus entfernt, und die Lautsprecher erlauben es uns, an den fröhlichen Gesängen des kenianischen Volkes teilzuhaben. Unsere morgendliche Zeit der Stille hat so Anteil an dem „Ertönen des Himmels in Klängen“, von dem in dem Hymnus die Rede ist. Bald darauf gehen auch wir zum Sonntagsgottesdienst. Die Kirche ist voll. Die Kinder und Jugendlichen beleben die Messe mit ihren fröhlichen Tänzen und Gesängen, die mich jedes Mal bewegen. Der Sonntag ist hier in Nairobi wirklich ein Tag des Herrn. 

Vor etwas mehr als sieben Monaten bin ich nach Kenia gekommen. Als erstes ist mir die Sorgfalt aufgefallen, mit der die Liturgie in unserer Pfarrei gepflegt wird. Alles hat seinen Sinn; alles ist darauf ausgerichtet, die Schönheit der Beziehung zu Gott zum Ausdruck zu bringen. Unsere Priester schätzen außerdem die schönen lokalen Traditionen und versuchen sie zu bereichern durch die Fülle des Lebens und der Wahrheit des Glaubens. So sind in den liturgischen Tänzen Geist und Körper vereint im Ausdruck der Freude. 

Wenn das Leben vom Herrn erleuchtet wird, singt und tanzt das Herz

Dienstagsmorgens leiten Schwester Erika und ich eine Gruppe von Müttern mit behinderten Kindern in der Pfarrei. Die Gruppe ist benannt nach dem Lied Lasciati fare des italienischen Liedermachers Claudio Chieffo (auf Swahili: Ujiachilie). Die Melodie, mit der die Mütter und Kinder begrüßt und verabschiedet werden, ist diesem Lied entnommen, das die Zugehörigkeit beschreibt. Die erste Strophe lautet: „Lass dich durch den gestalten, der dich kennt“. 

Die Mütter tragen ihre Kinder meistens auf dem Rücken. Zu Beginn unserer Treffen beten wir den Rosenkranz. Obwohl nur wenige von den Frauen katholisch sind, vertrauen sie der Gottesmutter ihre Anliegen an. Dann singen wir Lieder für die Kinder. Sie haben unterschiedliche Behinderungen, aber alle lachen. Einige klatschen in die Hände, andere tanzen mit ihren Füßchen, wieder andere schauen einfach nur staunend Schwester Erika und mir zu. Anschließend reden wir mit den Frauen über ihre Probleme. Sie sind fast alle von ihren Männern verlassen oder von ihren Familien verstoßen worden. Wir sprechen über alles, was mit ihrem Leben zu tun hat: die Achtung ihres Körpers, die affektiven Beziehungen, ihr Verhältnis zu Gott, den Sinn des Lebens und den Tod. Dabei wird viel geweint und gelacht. Meistens beenden wir den Vormittag mit einem traditionellen Tanz.

Auch in den Schulen sehen wir wie gerne die Kinder singen und tanzen. Es gibt auch kein Treffen von Jugendlichen, bei dem nicht spontan kleine Gruppen spielerisch Tänze improvisieren. Wenn der Herr das Leben erleuchtet, dann singt und tanzt das Herz. 

An Orten allerdings, wo Gott nicht zugegen ist, wird die Musik zu Lärm und Trauerspiel. Aus schummrigen Kneipen hört man Lieder, die anstößige Beziehungen und Gewalt verherrlichen. In den Straßen unseres Viertels erklingt teilweise ohrenbetäubende Musik, die nicht zum Tanzen, sondern zum Vergessen auffordert. 

An Fronleichnam dagegen war es wunderschön, als wir mit den Priestern durch das Viertel zogen und Hunderte von Gemeindemitgliedern festliche Lieder sangen. Da schauten ganz viele Menschen neugierig aus ihren Häusern, weil sie sehen wollten, was da los war. Einige schalteten ihren Lärm ab, um die Musik Gottes in ihre Häuser ziehen zu lassen. Ich liebe Musik und Gesang. Gott nutzt diese meine Leidenschaft, um in mir Zuneigung und Freundschaft zu diesem Land und diesem Volk zu wecken, aber vor allem zu ihm.

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