Im Ritus der Priesterweihe wird der Kandidat aufgefordert: „Empfange die Gaben des Volkes für die Feier des Opfers. Bedenke, was du tust, ahme nach, was du vollziehst, und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes.“ Diese Worte fassen das ganze Leben des Priesters zusammen. Wir müssen immer wieder in sie eintauchen. Sie verweisen auf ein sehr hohes, geradezu schwindelerregendes Ideal. Aber gleichzeitig beschreiben sie ein Leben, das weiterhin sehr viele junge Männer anzieht, die sich entscheiden, Priester zu werden.
Jede Berufung entspringt einer Faszination, die man für jemanden empfindet: für eine Frau, für einen Mann, für eine Gemeinschaft oder für eine Lebensform, die man in einer bestimmten Person verkörpert sieht. In jeder dieser Berufungen verbirgt sich in Wirklichkeit die oft unbewusste Anziehungskraft Christi.
In den Berufungsgeschichten der Weihekandidaten, die wir auf den folgenden Seiten vorstellen, wird diese Anziehungskraft sehr deutlich. Gleichzeitig zeigt sich oft auch ein gewisser Widerstand, den man überwinden muss, bevor man sich dem Willen dessen überlässt, der einen auf einen unbekannten Weg führt, manchmal auch dahin „wohin man nicht will“. Jede Berufung impliziert in der Tat ein Opfer, durch das wir mit der Zeit unser Leben unter das Geheimnis des Kreuzes stellen.
Was fasziniert uns so am Leben der Heiligen, wenn nicht diese radikale Selbsthingabe?
Das ganze Leben ist ein Weg, der bewirkt, dass diese geheimnisvolle Anziehungskraft unsere Tage immer mehr durchdringt, indem wir uns auf das einlassen, was uns instinktiv ängstigt oder sogar abstößt. Dabei handelt es sich nicht so sehr um einen Akt des Willens, darum, dass wir die Zähne zusammenbeißen und das ertragen, was uns nicht gefällt, um das zu erreichen, was wir uns wünschen. Vielmehr geht es darum, mit der Zeit zu erkennen, dass das, wonach wir uns wirklich sehnen, nicht das ist, was wir uns vorgestellt hatten, häufig, weil die Welt es uns suggeriert. Eher im Gegenteil. Wenn die Welt suggeriert, die Erfüllung des Lebens bestünde darin, dass man alles hat, dann entdecken wir in der Begegnung mit Christus, dass das, was uns wirklich fasziniert, ist, alles hingeben zu können. Jesus sagt es im Evangelium mit den Worten: „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.“
Das Kreuz Christi trägt diese geheimnisvolle Wahrheit in sich: Das Leben erfüllt sich nur, indem man es ganz hingibt. Jede Form der Berufung birgt diese große Möglichkeit in sich, und die Priesterberufung ist das Paradigma dafür.
Was fasziniert uns so sehr am Leben der Heiligen, wenn nicht diese radikale Selbsthingabe? Jeder Mensch, der seine Berufung lebt, sei es zur Ehe oder zur Jungfräulichkeit, macht diese Erfahrung. Die Selbsthingabe erfüllt uns, weil sie uns an der Selbsthingabe Christi am Kreuz teilhaben lässt. Das ist das gleiche, was jeden Tag in der Feier der heiligen Messe geschieht und was die Geschichte der Welt und das Leben von Millionen von Menschen verändert hat. Kardinal Van Thuân hat gesagt: „Ein heiliger Mensch ist jemand, der die heilige Messe den ganzen Tag hindurch fortsetzt.“ (Hoffnungswege, S. 165) Das ganze Leben reicht nicht aus, um vollständig zu begreifen, was beim eucharistischen Opfer geschieht. Aber nach und nach entdeckt man, dass es das Herzstück all unseres Tuns ist.
Diejenigen, die berufen sind, an den Altar zu treten und dieses Geheimnis zu feiern, sind sicherlich privilegiert. Dieses Privileg ist gleichzeitig ein unverdientes Geschenk und eine höchst anspruchsvolle Aufgabe. In der Tat kann niemand den Anspruch erheben, Priester zu sein. Es ist die Kirche, die letztlich diejenigen auswählt, die sie für geeignet hält und derer sie bedarf. Sie wählt sie aus und vertraut ihnen eine Aufgabe an, die man unmöglich erfüllen kann, wenn man sich nicht in die Hände dessen begibt, der einen ruft. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16), sagte Jesus bei seinen Abschiedsreden vor seinem Leiden. Das ist die Quelle des Friedens und des Elans, mit dem zu leben der Priester berufen ist. Und was bleibt, ist letztlich nur die Hingabe seiner selbst.