Es ist noch eine Weile hin, bis die Prozession beginnt. Sie wird eine der letzten Veranstaltungen sein, an der ich teilnehme, bevor ich unsere Mission in Asunción verlasse, wo ich zwei Jahre lang tätig war. Wir tragen die Herzreliquie des heiligen Roque González de Santa Cruz, eines Heiligen, den das Volk in Paraguay sehr verehrt, durch die Straßen unserer Pfarrei. Roque González SJ (1576–1628) hat einige der ersten Jesuitenreduktionen gegründet und starb als Märtyrer. Sein Leib wurde verbrannt, aber wie durch ein Wunder blieb sein Herz unversehrt. Und wenn man es fast 400 Jahre später anschaut, glaubt man beinahe, seinen Schlag zu spüren.
Dann beginnt die feierliche Prozession. Der „Himmel“ wird abwechselnd von jungen Männern getragen. Sie sind sehr aufmerksam und erfüllen ihre Aufgabe mit Hingabe und Respekt. Diese jungen Leute gehören zu einer Gemeinschaft, die von Franziskanern geleitet wird. Sie widmet sich der Rehabilitation von Drogenabhängigen, die vor allem Opfer einer der schlimmsten Plagen Paraguays sind: Crack. Für weniger als einen Dollar kann man ein Päckchen kaufen. Wenn man es fünfmal genommen hat, kommt man nicht mehr los und ist für immer süchtig.
Der Friede entsteht aus einem Vater, der nicht aufhört, seine Kinder zu lieben
Die jungen Leute gedenken heute auch eines Freundes, Juan, der vor wenigen Wochen von der Polizei erschossen wurde, als er versuchte, einen Supermarkt auszurauben. Die Franziskaner sagen, Juan war ihr Lieblingssohn. Als er in die Gemeinschaft kam, sei er allerdings wie ein Erdbeben gewesen. Probleme, Spannungen, Ausbrüche und Rückkehr. Er war kein einfacher Junge. Auch die Brüder dachten, bei ihm sei vielleicht nichts zu machen. Eines Tages sagte der Prior: „Juan muss für jeden von uns der Lieblingssohn sein. Unser Werk kann und wird nur weitergehen, wenn wir ihn so lieben.“
Als sein Leichnam in der Leichenhalle lag, ohne dass sich jemand meldete, um ihn zu beerdigen, waren die Franziskaner die ersten und einzigen, die auftauchten. Sie organisierten ein fürstliches Begräbnis und baten mich, das Requiem zu feiern. Die Trauergemeinde bestand aus den jungen Leuten der Gemeinschaft, einigen Freunde von Juan, den Franziskanerbrüdern und -schwestern. Sie alle trauerten und weinten, als hätten sie ein enges Familienmitglied verloren.
Die Prozession neigt sich nun dem Ende zu. Am Schluss spende ich jedem dieser jungen Männer einen Segen. Ich führe das Reliquiar mit dem Herz des heiligen Roque nahe an ihr Herz heran. Vielen kommen die Tränen, andere strahlen einen Frieden aus, den sie vielleicht schon lange nicht mehr erlebt haben. Ein Friede, wie ihn nur ein Vater schenken kann, der nie aufhört, seine Kinder zu lieben, vor allem seine Lieblinge.
