Wenn ich hier versuche, zu erzählen, was mir in der letzten Zeit widerfahren ist, dann aus einem doppelten Grund: Es soll ein Zeugnis sein, und eine Provokation, die – mich zuerst, und dann den Leser – zum Nachdenken anregt und Fragen aufwirft, wodurch das, was geschieht, Gestalt annimmt und einen Wert bekommt. Das ist es, was wir als eine Erfahrung bezeichnen. Und das ist mir geschehen.
Wenn man schwierige Zeiten durchmacht, stellen sich unweigerlich Fragen nach dem Sinn: Was bedeutet diese Prüfung? Wohin will Gott mich führen? Solche Fragen kamen in mir auf und erschreckten mich, sobald ich nach dem dunkelsten Moment, den ich in meinen sechzig Jahren erlebt habe, wieder zu Bewusstsein kam.
Aufgrund einer schweren Komplikation, verursacht durch eine Covid-Infektion, war ich geistig sehr verwirrt. Ich hatte Namen vergessen, Situationen und, was am dramatischsten war, sogar die einfachsten Gebete, die ich sprechen wollte. Denn das Bewusstsein, dass ich Priester bin, war das Einzige, was sich nie eingetrübt hat. Ich war sogar wütend auf die Menschen, die sich am meisten um mich bemühten. Doch all das, wirklich alles, wurde geläutert und nahm seine wahre Bedeutung an, als ich begann, in den Menschen um mich herum das Antlitz Christi zu sehen, der mich auf den Armen trug, mich speiste, mich an der Hand nahm.
Wenn das Wunder geschieht, dass man seine eigenen Grenzen erkennt, dann wird die Beziehung zu Christus wiedergeboren, die die einzig wahre Antwort ist. Jede Geste, jedes Wort kann dann Erstaunliches bewirken, bei uns und bei den anderen.
Durch unsere Schwäche erfüllt Gott seine Verheißung, dass sich unser Leben verwirklicht
Mich bewegt in diesem Zusammenhang eine Passage aus der Enzyklika Spe Salvi von Benedikt XVI., wo er sagt: „Das Maß der Humanität bestimmt sich ganz wesentlich im Verhältnis zum Leid und zum Leidenden. Das gilt für den Einzelnen wie für die Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die die Leidenden nicht annehmen und nicht im Mit-leiden helfen kann, Leid auch von innen zu teilen und zu tragen, ist eine grausame und inhumane Gesellschaft.“ Nachdem ich meinen eigenen Blickwinkel geändert hatte, konnte ich auch die Fragen wahrnehmen, die sich einige Menschen stellten, die täglich mit mir in Kontakt waren. Zwei Physiotherapeuten, die schon lange nicht mehr zur Beichte gegangen waren, baten mich zu Beginn der Fastenzeit, das Sakrament der Buße empfangen zu können, und kamen dann auch zur Messe. Noch bewegender war aber die Frage eines Sozialarbeiters, der ein bisschen grobschlächtig wirkte und mich eines Abends mit sehr ernstem Gesicht bat, ihm den Unterschied zwischen Gott und Jesus zu erklären. Paradoxerweise konnte ich, der ich doch der Kranke war, schließlich durch mein bloßes Dasein Trost spenden und bei anderen die Frage nach dem Sinn des Lebens wecken.
Was ist dabei der Aspekt der Gnade? Die Tatsache, dass die bloße Anwesenheit eines Priesters ein objektives, konkretes und lebendiges Zeichen für Christus ist und bei den Menschen den Wunsch nach Umkehr auslöst.
Für mich, aber auch für jeden von uns, hat die Erfahrung der Krankheit auch ein neues Licht auf meine Berufung geworfen. Nicht so sehr in dem Sinne, dass man eine bestimmte Ebene im Leben erreicht, sondern vielmehr ein neues Bewusstsein. Durch unsere Schwäche erfüllt Gott seine Verheißung, dass sich unser Leben verwirklicht, wenn wir dem gehorchen, was er für uns vorgesehen hat, damit wir die Heiligkeit erlangen können, nach der das Herz eines jeden Menschen sich sehnt.