Anfang letzten Jahres bat mich unser Direktor, einen neuen Kurs für die Seniors, also die Schüler des letzten Jahrgangs, zu halten. Ich nahm die Herausforderung an, vor allem, weil der Lehrplan für das zweite Halbjahr vorsah, die Bekenntnisse des heiligen Augustinus zu lesen. Tatsächlich ist es sehr spannend, dieses Werk mit Schülern zu lesen, die auf der Suche nach der Wahrheit sind. Je tiefer ich in den Text eintauchte, desto mehr spürte ich, wie der Heilige Geist das Zeugnis des Augustinus nutzte, um das Herz meiner Schüler zu öffnen. Ich möchte hier drei Beispiele erzählen.
Das erste stammt aus der Kindheit des Augustinus. Er kehrt nach Hause zurück, nachdem er von seinen Kameraden geschlagen und schikaniert worden ist. Seine Eltern merken nichts. Im Gegenteil, sie spielen die Wunden in seiner Seele herunter. Diese mangelnde Aufmerksamkeit tut ihm mehr weh als die Gewalt selbst. So geht es vielen Jugendlichen heute. Sie fühlen sich verletzt und verlassen. In den Aufsätzen meiner Schüler sah ich genau diesen Schmerz, dass ihre Seele mit ihren Verletzungen alleingelassen wird. Wie traurig ist es doch, wenn man ohne die Möglichkeit echter Heilung leben muss!
Das zweite Beispiel ist, als Augustinus über den negativen Einfluss einiger Freunde spricht. Sie ergötzen sich etwa am Leid anderer oder sagen: „Wir schämen uns, dass wir uns schämen“. Als ich das in der Klasse vorlas, spürte ich das betroffene Schweigen derer, die ihr Gewissen angesprochen fühlten. So als hätte jemand das ausgesprochen, was alle dachten, von dem aber niemand den Mut fand, es offen zu sagen. Von diesem Moment an begannen einige Schüler, echte Bekenntnisse abzulegen. Sie gaben endlich zu, dass bestimmte Gruppen (in denen die Freundschaft auf einer Kombination aus Sex, Alkohol und mehr basiert) sie wirklich teilweise dazu drängen, Dinge zu tun, von denen sie wissen, dass sie falsch sind. Denn das ist die große Tragödie von Freundschaften, die auf solch falschen Sehnsüchten beruhen: Sie führen dazu, dass man das gut findet, was einem schadet, und sich für das schämt, was schön und wahr ist.
Nur Gott kann Zeit und Raum aufbrechen, um etwas so Großes zu bewirken
Und schließlich ging es um Augustins Kampf gegen die Lust. Während diese Welt glaubt, alles über Sex zu wissen und dass es notwendig sei, ein „sexuell befreites“ Leben zu führen, weiß doch niemand mehr, wie man sich von diesen Dämonen befreien kann, die einen letztlich nur versklaven. Einer der Schüler schrieb mir: „Auch ich dachte, wie Augustinus, dass die Fesseln der Lust, die mich an meine sexuellen Triebe binden, niemals gelöst werden könnten.“
Eines Tages überraschte mich der Herr dann noch auf ganz unvorstellbare Weise. Nach einer Unterrichtsstunde kam eine Schülerin und bat, mich sprechen zu dürfen. Martha ist ein aufgewecktes, aber sehr schüchternes Mädchen. Sie erklärte, sie müsse mich bitten, einige Dokumente für die Schule zu unterschreiben. Doch nachdem ich die unterschrieben hatte, brach sie in Tränen aus. Und erst nach langem Schluchzen und Schweigen fand sie den Mut, zu sprechen. „Father, ich wollte Ihnen sagen: I love God so much.“ Sie habe nie den Mut gefunden, mich darum zu bitten, aber sie habe schon letztes Jahr mit ihren Eltern darüber gesprochen. „Können Sie mich taufen? Auch mir fehlt etwas ohne Gott. Aber ich hatte Angst, es meinen Freunden zu sagen, weil ich mich schämte, genau wie Augustinus.“
Das Schuljahr endete dann mit der Geschichte von Augustinus‘ Taufe und der Feier von Marthas Taufe! Wir feierten sie in der Schule, gleichzeitig mit Erstkommunion und Firmung, im Beisein einiger Schüler und der Familie von Martha. Seit diesem Tag ist mein Herz voll Dankbarkeit für das, was ich erleben durfte. Denn nur der lebendige und wahre Gott kann Zeit und Raum aufbrechen, um etwas so Großes im Herzen eines jungen Mädchens zu bewirken. Nur die Wahrheit kann uns so ganz und gar einnehmen. Seitdem denke ich auch oft darüber nach, wie wahr der Satz ist, in dem Augustinus seine Begegnung mit dem heiligen Ambrosius schildert, wahr für mich und für Martha: „Nicht wissend, dass du mich führst, o Herr, kam ich zu ihm, um durch ihn, nun aber wissend, zu Dir geführt zu werden.“